Sommer, Sonne, Urlaub! Oder zumindest Ferien. Ein Zauberwort aus der Kindheit: Sommerferien! Unermesslich lang erscheinende sechs Wochen ohne Schule, ohne Hausaufgaben, ohne straffen Zeitplan. Bei gefühlt schönstem Sommerwetter und eben in manchen Jahren auch mit einer Urlaubsreise verbunden. Mal „nur“ zu den Großeltern ins schwäbische Land, mal in tagelangen Autofahrten nach Italien. Oder Spanien. Eine fünfköpfige Familie im VW Variant von Essen nach Valencia, zum Beispiel. In den 70er Jahren war das immer auch eine Fahrt in die Sonne – ja eine regelrechte Suche danach. Der Abschiedsschmerz am Ende eines Urlaubes konnte schon damit im Zaum gehalten werden, sich die Reaktionen der Freunde, Verwandten und Mitschüler auf die Sommerbräune vorzustellen. Für uns Kinder galt das zumindest ab der weiterführenden Schule: Gebräunt war der sichtbare Beweis eines fantastischen Urlaubs. Gebräunt war erholt. Gebräunt war schön. Gebräunt von Mittelmeersonne war toller, als sich den gleichen Hautton im Ruhrgebiet geholt zu haben. Und gebräunt war weltweit ein Synonym für gesund …
Wir wissen heute: Weit gefehlt. Zumal der Hautton sich auch aus all den kleinen und größeren Sonnenbränden bildete, die wir uns ungeschützt in der Mittagszeit am Strand und im Wasser geholt hatten. Eincremen war nachher, nicht vorher. Doch Sonnenbrände addieren sich. Das heißt: Durch UV-Strahlung verursachte Zellmutationen entwickeln sich über Jahre weiter. Bis sie schließlich unter Umständen als maligne Melanome sichtbar werden – schwarzer Hautkrebs. Diese gefährlichste Form von Hautkrebs bildet sehr früh Metastasen, muss also noch mehr als andere Hautkrebsarten rechtzeitig erkannt werden, damit eine wirksame Behandlung erfolgen kann.
Aber die bundesweite Einführung der heute viel genutzten Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung für jeden gesetzlich Versicherten ab 35 wurde vom entsprechenden Bundesausschuss erst zum Juli 2008 beschlossen. Für Menschen, die jahrzehntelang nicht genug über die Gefahren wussten und das Sonnenbad suchten statt mieden, oftmals zu spät. So wie für meinen Vater. Denn als an seinem Schienbein Ende der 90er Jahre ein „komisches Muttermal“ als schwarzer Hautkrebs diagnostiziert wurde, gingen alle – auch die Ärzte – von Heilung aus. Schließlich wurde es ja „früh genug“ entdeckt, so klein, wie es noch war. Dass sich zu diesem Zeitpunkt der Hautkrebs schon weit im Körper verteilte, also bereits eine lange Entstehungsgeschichte hatte, war uns nicht klar. Der Fokus lag deshalb ausschließlich auf der Behandlung des Beines. Nach der chirurgischen Entfernung des Melanoms tauchte ein weiteres am Oberschenkel auf. Auch dieses wurde herausoperiert – konsequent großflächig, doch nun schloss sich die Wunde nicht mehr. Eine längere stationäre Behandlung brachte keinen Erfolg, ganz im Gegenteil: Das Bein meines Vaters begann abzusterben.
Zwei Jahre nach der Erstdiagnose wurde ihm das linke Bein oberhalb des Knies abgenommen. Meinem Vater, der Spaziergänge, Rad- und Wandertouren liebte, der Tennis spielte, der mit meiner Mutter im Himalaya gelaufen war. Ab diesem Zeitpunkt war er nicht nur körperlich, sondern auch seelisch schwer angeschlagen. Der Stumpf verheilte schlecht; eine gut sitzende Prothese zu finden war eine endlose, zermürbende Prozedur, die oft in Verzweiflung mündete und in dem Wunsch, so doch nicht weitermachen zu wollen. Eine Situation, die auch für die Familie extrem belastend ist, die nicht wirklich helfen kann – nur Liebe und Mitgefühl schenken.
Ironie des Schicksals: Ausgerechnet jetzt erarbeitete ich bei medicalvision das Konzept für die Aufklärungskampagne „Hautärzte gegen Hautkrebs“ – ein Projekt zum richtigen Umgang mit der Sonne und zu Hautkrebsprävention, das wahrscheinlich vielen Menschen hat helfen können. Denn ja, Sonne ist lebensnotwendig, systemisch und seelisch. Doch bitte machen Sie sich auch die Risiken von UV-Strahlung bewusst, nicht nur im Urlaub, sondern das ganze Jahr über, und denken Sie dabei vor allem an den Schutz Ihrer hautempfindlichen Kinder. Umfassend informieren, maßvoll genießen – so würde ich es zusammenfassen. Unserer Familie kamen die damals neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr zugute. Mein Vater musste immer wieder ins Krankenhaus, und irgendwann war er dauerhaft dort. Bestrahlungen und Medikamente blieben wirkungslos. Er verlor sein Bein, dann seine Koordination und Motorik, später seine Sprache, denn die Metastasen waren auch im Kopf. Er starb im August 2004, mit 67 Jahren.